Sehr geehrter Bundesminister Peter Hanke
Sehr geehrter Verkehrssprecher Christian Hafenecker,
Sehr geehrter Verkehrssprecher Joachim Schnabel,
Sehr geehrter Verkehrssprecher Wolfgang Moitzi,
Sehr geehrter Verkehrssprecher Dominik Oberhofer,
Sehr geehrter Verkehrssprecher Lukas Hammer,

Anbei unseren Vorschlag für eine Weiterentwicklung des Fachentwurfs “Zielnetz 2040” um den in dem Regierungsprogramm auf Seite 167 beschrieben Zielen gerecht zu werden.


Mensch und Raum, Umwelt und Klima, Wirtschaft und Effizienz –

ein „ZIELNETZ FÜR ÖSTERREICH“

Eisenbahn-Infrastrukturpolitik – grundsätzliche Kritik:

Das Regierungsprogramm erkennt die Notwendigkeit einer Evaluierung und Weiterentwicklung des vom vormaligen BMK in Zusammenarbeit mit ÖBB und SCHIG entworfenen Zielnetzes 2040. Die Gesamtverantwortung der österreichischen Verkehrspolitik liegt beim Verkehrsminister, der den österreichischen Bürgerinnen und Bürgern verpflichtet ist, und nicht bei einem einzelnen Unternehmen. Zudem wird die Errichtung der Schieneninfrastruktur letztlich aus Steuergeldern finanziert.

Als Teil der Bundesregierung hat der Verkehrsminister die verantwortungsvolle Aufgabe, in ausgewogener Weise die Interessen der Republik Österreich, ihrer Regionen und ihrer Bevölkerung in die Infrastrukturplanung einzubringen und eine unternehmensneutrale Netzpolitik für alle Verkehrsträger und somit auch für das Schienennetz zu verfolgen. Das schließt auch mit ein, gesamteuropäische Aspekte sowie die legitimen Ziele der Eisenbahn-Infrastruktur-Unternehmen (EIU) in möglichst enger Abstimmung mit den Personen- und Güter-Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) zu berücksichtigen.

Fakten zum vorliegenden Zielnetzentwurf:

Laut Bundesministerium ist der bisher vorliegende und mit der ÖBB-Infrastruktur AG sowie der SCHIG GmbH erarbeitete Fachentwurf für das Zielnetz 2040 „die langfristige Strategie des Bundes zum Ausbau des Bahnnetzes in Österreich im Sinne einer verkehrspolitischen Leitlinie zur Erreichung der mobilitäts- und klimapolitischen Ziele“. Dieser Entwurf wurde bis dato weder dem Ministerrat noch dem Parlament vorgelegt.

Gemäß Bundesbahngesetz ist bei den von den ÖBB zu erarbeitenden Rahmenplänen auf das Zielnetz Bedacht zu nehmen. Offensichtlich hatten beim Fachentwurf Zielnetz 2040 die ÖBB die inhaltliche Führungsrolle inne. Es gab kein Begleitgremium aus externen Experten und Stakeholdern (z.B. Interessensvertretungen, Fahrgastverbänden, NGOs, …). Angesichts der hohen Investitionssummen (26 Milliarden Euro) für das Zielnetz 2040 wäre aber eine breite verkehrs-, wirtschafts-, sozial- und umweltpolitische Legitimation notwendig.

Der Fachentwurf als Aneinanderreihung einzelner Projekte, die nicht aus einer übergeordneten Zielperspektive (Raumstruktur, Mobilitätsbedürfnisse, etc.) entwickelt wurde, stellt eigentlich einen visualisierten Rahmenplan mit dem Realisierungshorizont 2040 dar.

Die Baukosten und die Bewertung von Verkehrswirksamkeit sowie dem Nutzen für Personen- und Güterverkehr der einzelnen Module sind intransparent und erscheinen widersprüchlich.1

Projektwirkungen auf Raumstruktur, Erreichbarkeit und Standortqualität, die nicht direkt monetär bewertbar sind, wurden durch ein nicht nachvollziehbares Punktesystem erfasst.2 Dabei wirft die Zusammenführung der Ergebnisse zu einer Gesamtbewertung das grundsätzliche Problem der Addition nicht vergleichbarer Größen auf. Gerade diese Wirkungen sind für die Gestaltung eines Verkehrsnetzes aus gesamtstaatlicher Sicht besonders relevant: Ohne geographische Ausgewogenheit verstärken sich bestehende räumliche Disparitäten.

Vorschlag für ein „Zielnetz für Österreich“:

Das „Zielnetz für Österreich“ sollte unter angemessener Beachtung der Raumstruktur und der gesamtwirtschaftlichen Erfordernisse Österreichs sowie mit Blick auf die Regionen und Ballungsräume im angrenzenden Ausland „top-down“ erstellt werden.
Für ähnliche Aufgabenstellungen gibt es Beispiele für langfristige Planungen.3456

Konkret sollte das „Zielnetz für Österreich“ in Abfolge folgender Schritte erstellt werden:

  1. Festlegung der relevanten Knoten (Bundeshauptstadt, Landeshauptstädte, Bezirks-hauptstädte und entsprechende Knoten im angrenzenden Ausland), jeweils klassifiziert nach deren Größe und Bedeutung;
  2. Verbindungen zwischen den Knoten und Klassifizierung der Verbindungen mit Blick auf gesamtwirtschaftlich effiziente Lösungen entlang bestehender Infrastrukturen oder als netzwirksame Lückenschlüsse im Hinblick auf das Erreichen von Gesamtzielen (Nutzen für die Bevölkerung, Beschäftigungs- und Umwelteffekte, …);
  3. Festlegung eines darauf aufbauenden Zielnetzes, auf Basis eines österreichweit integrierten Takts im Fern- und Regionalverkehr, sowie der entsprechenden Kapazitäten und Funktionalitäten; Stärkung der Netzresilienz gegenüber Klima- und Krisenereignissen7;
  4. Zuordnung von Verbindungen zu primären (TEN-T- und äquivalenten) und sekundären – nationalen und regionalen – Korridoren bzw. zu Knotenräumen;
  5. Ergänzung um Regionalbahnprojekte und Weiterentwicklung bestehender Regionalbahnen (Linienverbesserungen und Betriebsausweichen, usw.);
  6. Reaktivierung von stillgelegten Regionalbahnen unter Berücksichtigung von Netzresilienz und volkswirtschaftlichen Aspekten sowie zukünftigen technologischen Entwicklungen bei Fahrzeugen und Zubringersystemen;
  7. Nichtaufgabe von Infrastruktur (z.B. Beibehaltung durchgehender Eisenbahntrassen) für eine allfällig spätere Reaktivierung; Zwischennutzungen für andere Zwecke (z.B. als Radweg, als Leitungs- oder Rohrtrasse, etc.) prüfen.

Dieses Zielnetz sollte sehr langfristig (bis zum Ende des aktuellen Jahrhunderts) ausgelegt sein und das gesamte Bundesgebiet umfassen. Es sollte einer angestrebten Entwicklung in einer noch ungewissen Zukunft genügen sowie eine positive wirtschaftliche Entwicklung und eine Mobilität für alle sozialen Gruppen ermöglichen und fördern.

Für eine langfristige Planungssicherheit und effiziente Umsetzung wird die rechtliche Verankerung in Form eines „Zielnetzgesetzes“ (vgl. Bundesstraßengesetz) vorgeschlagen.

Auswahl der bis 2040 zu realisierenden Projekten:

Konkrete Schienenprojekte leiten sich aus dem Vergleich von Bestand mit dem langfristigen Zielnetz ab.

Für den Zeitraum bis zum Jahr 2040 sind „top-down“ jene Projekte auszuwählen, die innerhalb des dafür angesetzten Finanzrahmens den größten strategischen und gesamtwirtschaftlichen Nutzen für Österreich bedeuten. In dieser Phase müssen in eine Projektbewertung nicht nur valide Verkehrsmengen8, sondern auch nicht monetarisierbare Kriterien einfließen. Für die konkrete Realisierungsreihenfolge sind funktionale Zusammenhänge als auch eine geographische Ausgewogenheit zu berücksichtigen. Aus dieser Realisierungsreihenfolge ergeben sich die jährlich rollierenden Rahmenpläne.

Dabei sichert das Wissen um langfristige Entwicklungen über die betrachtete Planungsperiode hinaus eine vorausschauende Planung und hilft, verlorenen Aufwand zu vermeiden. Sämtliche Maßnahmen sollten harmonische Schritte in Richtung einer langfristigen Netzentwicklung bilden. Diese vorausschauende Planung impliziert auch, schnellstmöglich großzügige Trassenfreihaltezonen – wiederum mit einem Zeithorizont von 100 Jahren – festzuschreiben, wobei bestehende Trassen jedenfalls nicht verlorengehen sollen.

Letztendlich ist die Gesamtbeurteilung und anschließende Festlegung, welche Projekte wann umzusetzen sind, eine politische Entscheidung auf der Grundlage des „Zielnetzes für Österreich“.


  • 1 Vergleiche Neue Innkreisbahn (NIB) 67 Mio. €/km versus Steierische Ostbahn (SOB) mit 96 Mio. €/km.
  • 2 Vergleiche Steinschlag/Netzresilienz mit gleicher Punktesystem und Wichtung.
  • 3 „GSD-Studie“ (Die Gestaltung des Straßennetzes im Donaueuropäischen Raum unter besonderer Beachtung des Wirtschaftsstandortes Österreich; Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten (BMwA), 1999).
  • 4 Arbeitspaket „N-M1“ zum „Österreichischen Bundesverkehrswegeplan“;Petzmann, 1999.
  • 5 „the planning methodology for the Trans-European Transport Network TEN-T“ (European Commission SWD (2013) 542 final, 07.01.2014)
  • 6 Arbeiten des Instituts für Stadt- und Regionalforschung der TU Wien für den „Österreichischen Bundesverkehrswegeplan“ bzw. „Masterplan Schiene“ (1998)
  • 7 Beispiele paralleler Resilienzstrecken: Leobersdorfer Bahn für West- und Südbahn; Südostspange (Wechselbahn) für Südbahn (Semmeringbahn) Wiener Neustadt – Graz; Laaer Ostbahn für Nordbahn; Lavanttalbahn für Unzmarkt – Klagenfurt und beide für die Koralmbahn und sowie Lavanttalbahn (+Koralmbahn) für Bruck an der Mur – Graz
  • 8 Dazu müsste zunächst die „Verkehrsprognose 2040+“ fertiggestellt werden.

Unterzeichnet / Unterstützt:
Arbeitskreis Zielnetz www.zielnetz.at:
Dipl. Ing. Dr. Helmut Adelsberger
Dipl. Ing. Walter Brenner
Dipl. Ing. Dr.techn. Harald Frey
Dr. Heinz Högelsberger
Dipl. Ing. Dr.techn. Andreas Juhász
Ing. Stephan F. Steinbach


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