BMK-Entwurf zum „Zielnetz 2040. Das Bahnnetz der Zukunft“
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Grundsätzlich ist die systematische Schieneninfrastrukturplanung des Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK) durch langfristige Zielnetzplanungen und die mittelfristigen Rahmenpläne zu begrüßen. Insbesondere nach dem der Brenner Basistunnel, der Semmering Basistunnel und die Koralmbahn samt Koralmtunnel sich in der Zielgeraden befinden und in den nächsten 5 Jahren in Betrieb gehen werden. Damit werden auch wieder Finanzmittel für neue Infrastrukturmaßnahmen frei. Es ist daher höchst an der Zeit, sich über die nächsten wichtigen überregional wirksamen Schieneninfrastrukturausbauprojekte und Lücken im Schienennetz Gedanken zu machen.

Aber wo das Schienennetz in Österreich verläuft und wie es ausgestaltet ist, betrifft so gut wie alle Menschen in Österreich; sei es als Fahrgäste, Anrainer:innen, Konsument:innen oder Verkehrsbedienstete. Daran hängen wichtige Fragen wie Erreichbarkeit, Siedlungs- und Standortentwicklung und Klimaschutz. Die Eisenbahn ist schließlich das Rückgrat der längst fälligen Mobilitätswende. Welches Schienennetz sich Österreich in Zukunft gibt, sollte also Gegenstand einer breiten gesellschaftlichen Diskussion sein. Umso enttäuschender ist es, dass die Erstellung des Entwurfes zum „Zielnetz 2040“ durch das BMK völlig intransparent erfolgte und Ende Jänner 2024 für viele überraschend und kaum mit den verschiedenen Interessensvertretern und Sozialpartnern abgestimmt vorgelegt wurde.

Bezogen auf die für das Bundesland Salzburg vorgeschlagenen Projekte scheint der Entwurf ziemlich unausgegoren und wenig durchdacht. Das Bundesland Salzburg ist vom „Zielnetz Das Bahnnetz der Zukunft“ von 4 Ausbaumaßnahmen bzw. Projekten direkt und von einem Vorhaben indirekt betroffen:

„SBG“ SALZBURG – FREILASSING

Der selektive viergleisige Ausbau auf dieser vor 15 Jahren auf drei Gleise erweiterten innerstädtischen Strecke ist als längst überfällige Ausbaumaßnahme zu begrüßen und dringend notwendig, um das seit mehr als 20 Jahren in Umsetzung befindliche S-Bahn Y-Konzept mit seinem zeitversetzten 30-Minuten-Takten (S3: Golling-Salzburg-Freilassing bzw. S2: Straßwalchen-Salzburg-Freilassing) auf dem Streckenabschnitt Salzburg-Freilassing endlich auf einen echten 15-Minuten-Takt S-Bahn-Takt umsetzen zu können. Darüber hinaus gibt es in Salzburg Bestrebungen, die Güterbahn der Brauerei Stiegl für den Personenverkehr zu nutzen, und da dieses Stiegl-Gleis rund zwei Kilometer westlich des Salzburger Hauptbahnhofes in die derzeit dreigleisige Strecke einmündet, ergibt sich schon allein daraus eine Nadelöhr-Situation bei einem entsprechend dichten Takt, wie es für eine innerstädtische S-Bahn notwendig ist. Weiters ergibt sich eine zusätzliche, quasi programmierte Nadelöhr-Situation auf diesem Streckenabschnitt, insbesondere aufgrund der Tatsache, dass ab 2040 zusätzlich zu den zwei Bestandsgleisen der Westbahnstrecke auch die zwei neuen Gleise der Hochleistungsbahn zwischen Salzburg und Köstendorf in die dreigleisige Strecke ab dem Salzburger Hauptbahnhof münden werden. Es stellt sich daher die Frage, ob der „selektive“ viergleisige Ausbau, wie im vorliegenden Entwurf des Zielnetz 2040 vorgesehen ist, tatsächlich ausreichend sein kann oder ob anstatt eines „selektiven“ Ausbaus aufgrund des Zugaufkommens der viergleisige Vollausbau angestrebt werden muss.

„LIS“ Linz – SALZBURG

Seit nunmehr 25 Jahren versucht die ÖBB, die überlastete Strecke auf der Westbahn zwischen Linz und Salzburg auszubauen. Seit 2012 gibt es eine Grundsatzvereinbarung für den Abschnitt in Salzburg zwischen dem Land Salzburg, den Anrainergemeinden und der ÖBB für eine Hochleistungsbahn-Neubaustrecke zwischen Köstendorf und Salzburg von 21,3 km inklusive eines Flachgautunnels von 16,5 km. Seit 2018 laufen die umfassenden Behördenverfahren samt UVP. Aus Sicht der Arbeiterkammer Salzburg greift dieser Hochleistungsbahnstreckenabschnitt viel zu kurz. Schließlich ist die Strecke dann ab Neumarkt-Köstendorf eine kurvenreiche Strecke, die eine nur vergleichsweise geringe Geschwindigkeit im Vergleich zur HL-Strecke ermöglicht. Hier bedarf es dringender Planungen, wie die Strecke nach Neumarkt-Köstendorf auf HL-Niveau ertüchtigt werden kann. Schließlich hat die Bundesregierung bereits 1989 (!) die gesamte Strecke zwischen Salzburg und Attnang-Puchheim zur Hochleistungstrecke erklärt und nicht nur den kurzen, rd. 21 km langen Streckenabschnitt von Salzburg bis Köstendorf. Hier müssen im vorliegenden Zielnetzkatalog 2040 dringend Aussagen und Zeithorizonte genannt werden, wie es mit der HL-Strecke ab Köstendorf weitergeht. Schließlich wurde nach zähem Ringen in den Verordnungen der transeuropäischen Netze klar fixiert, dass die TEN-Strecke von Paris bis Budapest über Salzburg verlaufen muss! Die Strecke München-Mühldorf-Salzburg hat sich dabei gegenüber einer Streckenführung von München-Mühldorf-Simbach/BraunauWels (unter Einbeziehung des Bayerischen Chemiedreieck) durchgesetzt.

Vor diesem Hintergrund lehnen wir die im Zielnetz 2040 aufgenommene Neubaustrecke NIB NEUE INNKREISBAHN Wels-Innviertel (-Mühldorf) ab. Nicht nur, dass diese Neubaustrecke zur Überraschung aller Bahnexperten quasi aus dem „Hut gezaubert“ wurde, verschlingen die prognostizierten Kosten von 9 Mrd. Euro ein Drittel aller Kosten der Zielnetz 2040 Baumaßnahmen, während zahlreiche wichtige Ausbaumaßnahmen ins Zielnetz 2040 wieder nicht bzw. nicht mit entsprechenden Ausbaumaßnahmen aufgenommen wurden, wie zum Beispiel:

  • Westbahnstrecke auf dem Streckenabschnitt Neumarkt-Köstendorf bis AttnangPuchheim bzw. Schwanenstadt
  • Bruck a. d. Mur – Bischofshofen (IAP INNERALPIN Bruck a. d. Mur – Bischofshofen)
  • die zum TEN-Korridor Westbalkan zählende geteilte Achse Tauern-Pyhrn/Schober (siehe unten)

„TAU“ TAUERN Salzburg – Villach

Erstmals hat die Salzburger AK-Vollversammlung zum Nadelöhr Pass Lueg 2005 einen Antrag zum „katastrophensicheren Ausbau zwischen Golling und Werfen“ samt Tunnelkette zur Beseitigung der bestehenden „Langsamfahrstrecke“ (teilweise nur 60 bis 70 km/h) einstimmig angenommen. Seither hat diese Forderung Eingang in alle AK-Forderungsprogramme an die Landesregierungen und die Bundesregierungen gefunden. Zuletzt wurde das dringend notwendige Bahninfrastrukturprojekt für den Pongau, Pinzgau und Lungau im AK-Vollversammlungsantrag „katastrophenanfällige Strecke ‘Golling –Pass Lueg – Stegenwald – Bischofshofen‘ wie ursprünglich geplant als Hochleistungsbahn ausführen!“ im November 2022 von Bund und Land Salzburg einmal mehr eingefordert, nachdem die ÖBB im Juli 2022 bloß Planungen zur Katastrophensicherheit mit Fahrzeitgewinnen von nur 3 Minuten ankündigte.

Neben der Katastrophensicherheit – zuletzt war die Strecke im Jänner 2019 ganze zwei Wochen wegen Lawinengefahr gesperrt und davor sowie danach immer wieder wegen Hochwasser – standen bei diesem Projekt seit 2005 immer fahrplantechnische Erfordernisse ganz oben auf der Prioritätenliste der Verkehrsplaner. Der Ausbau des Nadelöhr Pass Lueg wurde schon im Landesmobilitätskonzept (2005-2016) neben dem Y-Konzept im Zentralraum als Herzstück bei der Realisierung des landesweiten integrierten Taktfahrplans (Salzburg-Takt) gesehen. Nur eine erhebliche Fahrzeitreduzierung zwischen dem Taktknoten Bischofshofen und Salzburg Hauptbahnhof macht in dieser Hinsicht Sinn. Daher wurden im Landesmobilitätskonzept (LMK) 2006-2015 schon folgende fahrplantechnische Ziele festgelegt:

„Herzstück einer verbesserten Vertaktung ist die geplante Hochleistungstrasse zwischen Golling und Werfen. Durch kürzere Fahrzeiten und die dadurch mögliche Vertaktung (…) wären von Salzburg aus Bischofshofen in 26 Minuten (bisher 47 Minuten) und Zell am See in 1:08 Stunden (bisher 1:37) (…) erreichbar.“ (S. 58)

Im aktuell gültigen Landesmobilitätskonzept 2016-2025 ist zum Projekt zwar folgendes vermerkt:

„Wie bereits im Landesmobilitätskonzept 2006 wird ein Ausbau des Streckenabschnittes Golling – Bischofshofen mit dem Ziel, die Fahrzeit zwischen Salzburg und Bischofshofen von 45 Minuten auf 30 Minuten zu verkürzen, angestrebt (…)“.

Allerdings hat man sich seitens des Landes unverständlicher Weise von dem für den integralen Taktverkehr unabdingbaren Erfordernis einer Hochleistungsstrecke verabschiedet und begnügt sich mit der Katastrophensicherheit, dazu heißt es im aktuellen LMK 2016-2025:

„Die ÖBB Infrastruktur beabsichtigt, vorerst den Abschnitt Golling – Stegenwald mit einem neuen
Ofenauer Tunnel zur Ausschaltung der Naturgefahren (Lawinen und Steinschlaggefahr) neu zu
planen. Die ‚Aufwärtskompatibilität‘ dieser Planungen mit einer Neubaustrecke Golling-Bischofshofen ist sicherzustellen“
(S. 50)

    Die nun im Zielnetz 2040 angeführten Fahrzeitgewinne für die Strecke Salzburg-Villach von 12 Minuten sind daher jedenfalls viel zu wenig ambitioniert und entsprechen bei weitem nicht den vom Land Salzburg im Landesmobilitätskonzept 2006 bis 2015 geforderten Fahrzeitgewinnen von 21 Minuten allein für die Strecke zwischen Bischofshofen und Salzburg HBF (von derzeit 47 Minuten auf 26 Minuten). Dies betrifft nicht nur die Regionen Pongau, Pinzgau und Lungau mit rd. 200.000 Einwohnern – die mit 25 Mio. Nächtigungen sehr tourismusintensiv sind – sondern auch die EU. Denn seit 2012 lobbyieren die Bundesländer Steiermark, Oberösterreich, Salzburg und Kärnten sowie das BMK die TauernPyhrn/Schober Achse als geteilten TEN-Korridor (Tauern-Achse: Schwerpunkt Personenverkehr und Pyhrn-Schober-Achse: Schwerpunkt Güterverkehr) bei der EU, und tatsächlich hat nun die Europäische Kommission die Tauern-Pyhrn/Schober-Achse als Ausgangspunkt für den Westbalkan TEN-Korridor in ihren aktuellen Entwurf aufgenommen. Und Österreich reagiert im Zielnetz 2040 mit einer für eine TEN-Strecke nicht adäquaten Ausbauvariante des Nadelöhrs Pass Lueg auf diesen Lobbying-Erfolg. Dies ist auch angesichts der EU-Finanzmittel, die für den Bau bzw. zumindest für die Planung von TEN-Strecken zur Verfügung stehen, kontraproduktiv.

    „IAP“ INNERALPIN Bruck a. d. Mur – Bischofshofen

    Hier fällt auf, dass die angestrebten Ausbaumaßnahmen nur Fahrzeitgewinne von wenigen Minuten bringen, was viel zu wenig ambitioniert ist. Weiters fordern wir, dass das „inneralpine Schienenverkehrskreuz“ – das derzeit aus den teilweise eingleisigen und kurvenreichen Bahnstrecken zwischen Graz und Innsbruck/Salzburg bzw. Graz und Linz besteht – in einem größeren Zusammenhang geplant und massiv ausgebaut wird. Dabei geht es zum Beispiel auf der Strecke zwischen Graz und Innsbruck nicht so sehr um die Verbindung von diesen beiden Landeshauptstädten, sondern um die Verbindung der inneralpinen Gemeinden bzw. zentralen Orte zu diesen Landeshauptstädten und zwischen diesen inneralpinen zentralen Orten. Auf diesen Strecken mit zahlreichen Bezirkshauptstädten und teilweise touristischen Hotspots gibt es enormen und dringenden Ausbaubedarf (z. B. Graz – Bruck a. d. Mur – Bischofshofen(/Salzburg) – St. Johann – Schwarzach-St. Veit – Zell am See – Saalfelden – St. Johann i. T. – Kitzbühel – Kirchberg – Wörgl – Innsbruck. Diese Bahnstrecken, die teilweise durch sehr gebirgige Regionen mit schwieriger Topografie führen, drohen nämlich durch den Ausbau der Westbahn (Wien – Linz – Salzburg) und Südbahn (Wien – Graz – Klagenfurt) zu Hochleistungsbahnen ins Abseits zu geraten bzw. sogar umfahren zu werden, mit weitreichenden Folgen durch eine negative Bevölkerungsentwicklung bzw. Abwanderung. Hier bedarf es daher eines massiven Ausbaus dieser inneralpinen Bestandstrecken, kombiniert mit intelligenten Fahrplankonzepten (adäquate Taktverkehre, leicht „flügelbaren“ Triebzügen, u. U. Einsatz von Neigezügen). Die Fahrzeiten müssen massiv reduziert werden und müssen mit den Fahrzeiten des MIV mithalten können bzw. tendenziell geringer sein.

    Antrag:

    Die 2. Vollversammlung der 16. Funktionsperiode der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Salzburg fordert das BMK und die Salzburger Landesregierung auf, den Entwurf zum „Zielnetz 2040. Das Bahnnetz der Zukunft“ auf breiter Basis mit den verschiedenen Interessensvertretern und insbesondere den Sozialpartnern auf Länderebene und/oder länderübergreifend zu diskutieren und die in der Präambel angeführten Kritikpunkte an den folgenden Projekten zu berücksichtigen:

    • „SBG“ SALZBURG – FREILASSING: viergleisiger Vollausbau anstatt des selektiven viergleisigen Ausbaus. Aufgrund der Nadelöhr-Situationen durch die Nutzung des Stiegel-Gütergleises für den innerstädtischen Personennahverkehr und die Einbindung der zwei Gleise der Hochleistungsbahn Salzburg-Köstendorf.
    • „LIS“ Linz – SALZBURG: Ausbau der Strecke Köstendorf-AttnangPuchheim/Schwanenstadt als Hochleistungsbahn wie erstmals von der Bundesregierung 1989 zugesagt und in der EU TEN-Verordnung fixiert, anstatt der Neubaustrecke Neue Innkreisbahn (Wels-Innviertel-Mühldorf).
    • „TAU“ TAUERN Salzburg – Villach: Ausbau der katastrophenanfälligen Strecke Golling – Pass Lueg – Stegenwald – Werfen als Tunnelkette zur Hochleistungsbahn, damit die Fahrzeit Salzburg-Bischofshofen von derzeit 47 Minuten auf 26 Minuten verkürzt werden kann, wie ursprünglich schon im Landesmobilitätskonzept 2006-2015 festgelegt.
    • „IAP“ INNERALPIN Bruck a. d. Mur – Bischofshofen: Ausbau nicht nur der Strecke Bruck a. d. Mur bis Bischofshofen, sondern selektiver Ausbau des gesamten Streckenabschnittes Bruck a. d. Mur bis Wörgl, um die Verbindung zwischen den Landeshauptstädten Graz und Innsbruck/Salzburg bzw. zwischen den zentralen Orten und den Tourismuszentren auf dem „inneralpinen Schienenverkehrskreuz“ betreffend Fahrzeit und Taktverkehr konkurrenzfähig zum Pkw zu machen und damit diese Regionen nicht „abgehängt“ werden.

    Für die Sozialdemokratischen GewerkschafterInnen
    Salzburg, 14. Mai 2024


    Der Antrag der Fraktion Sozialdemokratischer GewerkschafterInnen (FSG) wurde mit den Stimmen der Österreichische Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerbund (FCG-ÖAAB), Freiheitliche Arbeitnehmer (FA), Gewerkschaftlichen Linksblock (GLB), Parteifreie Gewerkschafter_innen Österreichs (PFG) in der Vollversammlung der AK-Salzburg zum Zielnetz 2040 beschlossen.


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